Wie dein Körper alte Muster verändern kann – und warum Tanz- und Bewegungstherapie tiefer wirkt als nur Worte allein
- stockerconnie

- 12. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Okt.

Wir alle haben Seiten an uns, die wir gerne zeigen – und andere, die wir lieber verstecken. Wir sagen: „Ich bin hilfsbereit, freundlich, liebevoll.“ Doch was ist mit der Wut, der Kraft, dem Mut anders zu sein oder Nein zu sagen?
In der prozessorientierten Tanz- und Bewegungstherapie begegnen wir genau diesen verborgenen Anteilen. Es geht nicht nur um Bewegung – es geht um Bewusstsein, Körpererfahrung und darum, dich wieder mit dir und deinem Körper verbunden zu fühlen.
Die Wurzeln dieses Ansatzes
Die theoretische Grundlage stammt von Arnold Mindell, Physiker und Schüler von C. G. Jung. Er entwickelte die Prozessarbeit, eine Methode, die Körper, Bewusstsein und unbewusste Dynamiken miteinander verbindet.
Mindells Schülerin Madeleine Rhyner, Mitbegründerin der Tanz- und Bewegungstherapie-Ausbildung am IAC Zürich, erkannte: Das, was Mindell über Polaritäten, Rollen und Bewusstsein lehrte, ist der fehlende Rahmen, um Bewegung als Ausdruck innerer Prozesse zu verstehen.
Daraus entstand ein Modell, das bis heute den Kern dieser Arbeit bildet – und das ich selbst in meiner Ausbildung gelernt habe und täglich anwende.
Der Eisberg der Persönlichkeit
Stell dir vor, dein Bewusstsein ist die Spitze eines Eisbergs – das, was sichtbar ist. Dazu gehören dein Verhalten, dein Auftreten, deine gewohnten Bewegungen – deine Identität. Vielleicht bewegst du dich gerne rund, fließend, harmonisch – und empfindest das als „dein Stil“.
Doch unter der Wasseroberfläche liegt der viel größere Teil: die Nicht-Identität, also das, was unbewusst ist. Dort ruhen Erinnerungen, Gefühle, verdrängte Impulse – und vor allem deine ungenutzten Kräfte.
C. G. Jung nannte diesen Bereich den Schatten. Er umfasst all die Eigenschaften oder Verhaltensmuster, die wir an uns nicht mögen und deshalb verdrängen.
Doch der Schatten ist kein Feind – er ist eine Schatzkammer.
Manchmal ruht dort genau die Kraft, die uns fehlt, um mutig zu sein oder uns wieder lebendig zu fühlen.
👉 Zwischen Identität und Nicht-Identität verläuft eine Grenze – eine Art Übergangszone, in der Bewusstes und Unbewusstes sich begegnen.
Und genau dort beginnt die eigentliche therapeutische Arbeit.
An der Grenze zwischen Vertrautem und Unbekanntem
In der prozessorientierten Tanz- und Bewegungstherapie arbeiten wir genau an dieser Grenze. Zuerst stärken wir das, was trägt: deine Ressourcen, dein Körpergefühl, deine Stabilität.
Erst wenn du dich sicher fühlst, darf das Unbekannte vorsichtig dazukommen – das, was noch gelebt oder geboren werden will.
Beispiel: Eine Frau, die immer freundlich und angepasst war, spürt plötzlich Wut in sich. In der Bewegungsimprovisation merkt sie: „Eckige, kraftvolle Gesten tun mir gut.“ Mit der Zeit verwandelt sich diese Wut in eine gesunde Durchsetzungskraft –sie traut sich, zu sagen, was sie braucht.
Diese Veränderung geschieht nicht im Kopf, sondern im Körper. In jeder Zelle entsteht ein neues Muster: Ich darf kraftvoll sein.
Zwischen Kritiker und Erlauberfigur
An dieser Schwelle wirken zwei gegensätzliche Kräfte in uns: der innere Kritiker und die Erlauberfigur.
Der Kritiker will Sicherheit. Er flüstert:
„Sei lieber still. Beweg dich nicht so komisch. Was denken die anderen?“
Er schützt uns – aber er hält uns auch fest.
Die Erlauberfigur hingegen steht auf der anderen Seite und sagt:
„Komm zu deiner Kraft. Zeig dich, wie du bist. Das ist gut so.“
Zwischen beiden entsteht Spannung – und genau in dieser Spannung liegt das Potential für Wachstum.
In der Tanz- und Bewegungstherapie wird das sichtbar: Wenn neue Bewegungen auftauchen, reagieren viele mit Widerstand oder Abbruch. Das ist der Moment, wo etwas Neues anklopft – und sich vielleicht sogar Angst, Scham oder Ekel zeigen:
Hier an der Grenze -- genau hier geschieht Entwicklung.
Begleiten statt pushen
Meine Aufgabe als Therapeutin ist es, nicht zu drängen, sondern die Person an dieser Grenze zu begleiten.
Wenn jemand zögert, unbekannte Bewegungen zuzulassen, forschen wir gemeinsam: „Was ist bedrohlich daran?“ „Was passiert, wenn du dich so zeigst?“
Wir gehen Schritt für Schritt – im Gespräch, in Bewegung, im Kontakt. Ich bewege mich mit, spiegle, begleite. Und wenn die Person neugierig wird, geschieht oft dieser magische Moment: „Es ist gar nicht so unangenehm – es fühlt sich sogar gut an.“
Dann findet Integration und innerer Wandel statt. Ein neuer Anteil darf sich zeigen – und das Leben wird größer, freier, echter.
Mehr als Worte – warum Körper und Bewegung zentral sind
In der Tanz- und Bewegungstherapie spielt das Gespräch natürlich eine Rolle – aber es nimmt nur einen Teil des Prozesses ein.
Worte helfen zu verstehen, was geschieht. Doch die eigentliche Veränderung geschieht im Erleben – in der Bewegung, im Atem, in der Körperwahrnehmung.
Während die Gesprächstherapie hauptsächlich über Analyse und Reflexion arbeitet,
führt die Tanz- und Bewegungstherapie den Menschen direkt in seine körperliche Erfahrung.
Der Körper wird zum Spiegel der inneren Zustände – und gleichzeitig zum Weg der Veränderung.
Der Körper lügt nie!
Ein Gespräch kann Erkenntnis bringen – doch erst, wenn der Körper sie spürt, entsteht echte Integration. Darum sind in meinen Sitzungen Wahrnehmung, Ausdruck und Bewegung genauso wichtig wie Worte.
Fazit
Die prozessorientierte Tanz- und Bewegungstherapie ist kein Tanztraining. Sie ist ein Erfahrungsweg zurück in den Körper – dorthin, wo unterdrückte Gefühle, unentdeckte Stärken und vergessene Impulse wieder spürbar werden. In der Tanz- und Bewegungstherapie lernst du, wie dein Körper alte Blockaden löst.
Wenn wir an der Grenze von Identität und Nicht-Identität mit dem Leben tanzen lernen, sind wir bereit, uns selbst ganz zu begegnen – mit allem, was wir sind.
Das macht uns lebendig und offen, auch anderen wieder in Tiefe zu begegnen.
Es ist so lebenswert, sich verbunden zu fühlen – mit uns selbst und mit anderen.
Möchtest du erfahren, wie dein Körper dir helfen kann, alte Muster zu lösen und wieder in deine Lebendigkeit zu finden?
Dann lade ich dich ein, in einem ersten Gespräch herauszufinden, wie Tanz- und Bewegungstherapie dich unterstützen kann.

Connie Stocker ist Dipl. Tanz- und Bewegungstherapeutin. Sie unterstützt Menschen in Krisen in eigener Praxis in Buchs SG und online mit körperorientierten Methoden.
Dazu bietet sie Unternehmen nachhaltige Resilienz Trainings an, damit Fach- und Führungskräfte nicht ausbrennen, sondern auch in Zukunft mit Herzblut und Überzeugung wirken. Ihre Leidenschaft gilt dem Tanz und dieser hat sie auch zu ihrer Berufung gebracht. Was mich antreibt? Die faszinierende Sprache des Körpers.



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